Wenn im HAUS DER MUSIK nicht von Noten, Instrumenten oder Konzertkarten gesprochen wird, geht es stattdessen um das Computerwesen und dessen Nutzung. Dieser Schluss drängt sich zumindest auf, sofern man die Themengewichtung dieser Spalte für aussagekräftig hält, und beide Bereiche sind natürlich eng aneinander gebunden, denn ohne die Technik bliebe mittlerweile auch die Ware auf der Strecke. Vermittelt wird all dieses jedoch unweigerlich durch Sprache, und so kommt es nicht von ungefähr, dass hinter den Kulissen der Musikalienhandlung bisweilen auch um Worte gerungen wird.
An das Regelwerk zur Orthographie mit seinen diversen Reformen und Korrekturen des Deutschen sind zwar Hinz und Kunz gebunden – viele bemühen sich ja auch nach Kräften um die Befolgung –, doch der Wortschatz scheint keine Grenzen zu kennen. Wenn man hierfür zwei Gründe nennt, wird der erste von Muttersprachlern wohl zumeist geschätzt: Unerschöpflich sind die Kompositionen, die sich aus einzelnen Worten bilden lassen. Der zweite Grund hingegen, der kann ideologischen Streit befeuern und ist mit einem Wort am besten zu bezeichnen: Denglisch.
Nicht, dass es Fremdwörter in einer Sprache gibt, ist hier dass Problem. Wer wollte schon allen Ernstes Schönheiten wie Idee, Humbug, Schlamassel oder Rendezvous missen? Babylon hin oder her: Es ist noch keine Sprache vom Himmel gefallen, sondern es gibt den Wandel – mit vielen Annäherungen.
Selbst die Isländer gehen übrigens mit der Zeit. Im Umgang mit Walfangkonventionen eher renitent, zeigen sie sich doch bei der Anpassung ihrer Sprache an den (technischen) Fortschritt sehr umsichtig. Es gilt zwar als unbestritten, dass die Menschen auf der Insel im Europäischen Nordmeer sich heute problemlos mit ihren Vorfahren von vor 1000 Jahren unterhalten könnten, denn die „isländische Zunge“, importiert als nordgermanische Dialekte, vereinheitlicht und verschriftlicht von den Wikingern, ist seither weitgehend unverändert geblieben. Aber die Wikinger hätten ihre Probleme, denn die neugebildeten Lehnwörter würden sich ihnen wohl nur grammatikalisch erschließen. Dass ein alter Berserker auf Raubzug doch etwas missverstehen würde, forderte man ihn zum Segeln durch das weltweite Gewebe (= surfen im www) auf, ist anzunehmen. Während aber auf der fernen Insel großes Einvernehmen herrscht, in den gegebenen Strukturen neue Worte schaffen zu müssen, um die eigene Sprache bewahren zu können, geht es im „Land der Dichter und Denker“ schon eher zu wie in einem Hühnerhaufen: Einige verfolgen einen Plan, während die meisten unbekümmert und unbeirrbar vor sich hingackern.
Diese Zeilen und andere Texte auf Musikalienhandel.de wurzeln irgendwo zwischen Island und dem Hühnerhaufen. Manche Begriffe im (englischen) Original zu benutzen, ist für unser Metier unumgänglich. „Internet“ z.B. ist solch ein Selbstgänger. In anderen Fällen ist die Entscheidung schwierig: Soll man „tag cloud“ so belassen, oder welche Übertragung ins Deutsche trifft den Nagel auf den Kopf? Darf „Blog“ als bekannt vorausgesetzt werden, oder sind Blockaden in den Köpfen der Leser zu befürchten? Damit nicht Musiker auf der Suche nach Noten von Wortwolken (für das englische „tag cloud“) und ähnlichem umnebelt werden, muss sich der „Cheffe“ gelegentlich mit einem Veto aus dem „Lektorat“ abfinden, das sich mit diesem Beitrag einmal eigenmächtig zu Wort meldet.
Auch solches beschäftigt uns also bei der Arbeit – doch jetzt ist erstmal Feierabend.
Segeln in Island
27. August 2007