von Meik Schwalm | Künstlercoaching Berlin
– Persönlichkeitscoach und Trainer für darstellende Künstler –
„Habe ich heute genug geübt?“ – Falls Dir diese Frage und der damit verbundene Frust bekannt vorkommen, ist dieser Beitrag vielleicht interessant für Dich.
Worin misst man „genug“ normalerweise?
Stunden: 1 Stunde? 3 Stunden? 8 Stunden? Oder gar 12 Stunden?
Ermüdung: Ist es erst genug, wenn der Kopf auf dem Instrument aufschlägt oder der Sänger seine Stimmbänder quasi vor den Zähnen spüren kann?
Fertigkeiten: etwas technisch in- und auswendig zu beherrschen?
Gibt es vielleicht sogar sowas wie zu viel üben? Bekannte Musikerpersönlichkeiten und Lehrer haben sich zu diesem Thema eingehend geäußert. Hilfreich? Oft eher nicht, oder?
Und was ist eigentlich mit Pausen: Soll es die geben? Sind sie nur ein Übel? Oder sind sie besonders hilfreich?
Eine Autorität auf dem Gebiet des „Performance Coachings“ ist Dr. K. Anders Ericsson. Er leitete aus einer Studie seine „10.000-Stunden-Regel“ und die „10-Jahre-Regel“ und somit die Zeit ab, die man dafür braucht, Experte auf seinem Gebiet zu werden – für das Ziel, international anerkannter Experte zu werden, veranschlagt er sogar eher 25 Jahre.
Die eigentliche Frage neben der technischen Fertigkeit ist dann wohl nur noch die der Qualität.
Eine sehr verbreitete Idee ist es, einzelne Passagen immer wieder und wieder zu üben – bis sie fehlerfrei sind und einem gefallen. Der „Autopilot“ ist in diesem Fall der beste Freund. Ich sehe darin allerdings folgende Probleme: Diese Art zu lernen gräbt einem selbst eher noch das Wasser ab, da sie die Fehler und unerwünschten Eigenschaften durch ständiges Wiederholen eher verstärkt und ein Scheitern in der Zukunft wahrscheinlicher macht. Zum anderen macht sie einen weniger selbstbewusst …
Es bleibt also die Frage nach dem Wie. Geistreiches, systematisches und strukturiertes Lernen – kurz: wissenschaftliches Üben. Statt geistlosem Wiederholen wird das Üben dann zu einem aktiven, bewussten Experimentieren mit klaren Zielen und Hypothesen – sehr ähnlich der Arbeit in einem Labor, wo die Zutaten Ideen (musikalisch und technisch) sind und immer wieder gemischt werden, damit das gewünschte Ergebnis erzielt wird.
Die 4 Schlüssel, die den Erfolg ausmachen, sind diese:
1. Länge der Einheit
Studien haben ergeben, dass der Erfolg von Übungseinheiten ab 4 Stunden signifikant und permanent abnimmt – eigentlich bereits ab einer 2-Stunden-Marke. Entscheidend ist es, den Zeitraum zu erkennen, in dem sich die persönliche Konzentrationsfähigkeit aufrechterhalten lässt. Leg jetzt also die Länge Deiner Einheiten fest: Für „Übeanfänger“ reichen einzelne Einheiten von 5–20 Minuten und für Erfahrenere von 45–60 Minuten.
2. Pausen
Pausen sind unverzichtbar und extrem wichtig für das Gehirn, damit es das Erlernte verarbeiten kann. Auch Deine Pausen gehören in Deinen Plan – sie sollten ungefähr ein Viertel bis ein Drittel Deiner Übezeit betragen. Nutze sie dazu, ausreichend zu trinken und eventuell Deinen Körper zu bewegen.
3. Zeitpunkt
Die Energiekurve eines Menschen im Lauf eines Tages verläuft sehr individuell. Analysier für Dich, wann Du am meisten Energie hast: Vielleicht liegt diese Zeitspanne gleich zu Beginn des Tages, vielleicht vor dem Mittagessen oder doch eher am Abend. Such Dir die Zeiten aus, in denen Du Dich leicht konzentrieren und fokussieren kannst.
4. Übetagebuch
Es ist an der Zeit, ein Übetagebuch anzulegen. In diesem Heft notierst Du zuerst Deine Ziele vor jeder Übeeinheit. Je detaillierter Du sie benennst, desto besser. Hier einige Fragen, die Dir helfen könnten: Wie hört sich der Klang an, den ich produzieren will? Wie soll die bestimmte Phrase, Artikulation, Intonation klingen?
Dann beginnst Du mit der Übeeinheit und hältst Dich an die Vorgaben aus Länge, Pause und passendem Zeitpunkt.
Nach der Übeeinheit notierst Du, auf welchem Weg Du versucht hast, Dein Ziel zu erreichen:
Welche Strategie hast Du gewählt?
Welche Technik hast Du angewandt?
Wie erfolgreich war Deine Strategie?
Was könntest Du verbessern?
In der nächsten Übeeinheit fängst Du dann mit dem Erlernten wieder bei der Formulierung Deiner Ziele an. Die Erfolgsfaustregel könnte also „cleverer – nicht härter“ heißen. Und es kann durchaus ein entscheidender Schritt sein, nicht immer wieder einen alten, Dir vielleicht eher bekannten Weg zu wählen. Sei experimentierfreudig! Dabei spielt es keine Rolle, ob Du an Deiner Technik oder einer neuen musikalischen Idee arbeitest – jeglicher Ablauf, der cleverer, systematischer und mit klaren Zielen versehen ist und Dich aktiver sein lässt, hilft, Deine verschwendete und uneffektive Übezeit zu reduzieren. Denn wer will schon – vor allem an den letzten Sommertagen – seine Tage in Überäumen verbringen?
Ich wünsche Dir viel Spaß im Labor Deiner Übungseinheiten und freue mich auf Deine Kommentare oder Fragen!
Meik
Meik Schwalm ist diplomierter Opernsänger mit über einem Jahrzehnt Bühnenerfahrung an unterschiedlichen Opernhäusern in Europa. Seit 2010 arbeitet er als Persönlichkeitscoach und Trainer für Sänger, Schauspieler, Musiker und andere Kreative: für ein positiveres Bewusstsein und neue Lebensperspektiven. Die Coachings und Trainings bietet Meik in deutscher und englischer Sprache an. Er lebt in Berlin.
Der direkte Draht:
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