Gemälde von Friedrich Gunkel (1862-1864)
Wenige Jahre nach Christi Geburt war es, dass der Cheruskerfürst Arminius im Teutoburger Wald ein Imperium frech zum Wanken brachte. Durch genaue Kenntnis des Gegners, Einbindung der anderen Clans, mit cleverer Strategie, leichtfüßiger Beweglichlichkeit sowie der Kenntnis der Region gelang ihm, der eigentlich Hermann hieß, das Unmöglich geglaubte. Die bis dato als unschlagbar geltende römische Armee verlor zum ersten Male eine bedeutende Schlacht. Der Anfang vom Ende einer erdrückenden Überlegenheit nahm seinen Lauf.
2000 Jahre später
Knapp über zweitausend Jahre später ist es abermals ein Lipper, der sich aufmacht, ein bis dato als unangreifbar geltendes Reich mutig herauszufordern. Ein Fürst ist er nicht, aber wie Hermann ein strategisch cleverer Kopf mit Sinn für Netzwerke. Wolfgang Meyer ist seit über zwanzig Jahren Musikalienhändler, direkt in der Innenstadt von Detmold steht er für seine klangverbundenen Kunden bereit. Viele Jahre der Erfahrung vor Ort, stetig im Austausch mit den Musikern, bringen ihn immer wieder zu frischen Marketingideen. Nebenbei ist er selbst ein erfolgreicher Musiker, was ihn für seine Kunden neben seiner Sortimentskunde und dem kaufmännischen Wissen ein authentischer Berater sein läßt. Wer jedoch an dieser Stelle glaubt, einen typischen Vertreter des Lagers monothematischer Einzelhandel vor sich zu wissen, irrt. Meyer bespielt virtuos auch die virtuelle Welt im Netz mit Engagement und erstaunlichen Einfällen. Neben Gitarren und Saxophonen, Trompeten und Posaunen betreibt er eine einzigartige Onlineplattform. Hier laden Nutzer aus aller Herren Länder Notensätze und Coverabbildungen hoch und stellen diese der Allgemeinheit als Ansichtsseiten zur Verfügung. Auf diese Weise entstand eine gigantische Bibliothek im Internet mit gut 70.000 NutzerUploads, die beim Verkauf der über 450.000 Noten- und Buchartikeln helfen. Denn Stillstand ist nicht die Sache des ostwestfälischen Herrn über Noten, Instrumente und Zubehör. Er beobachtet seine Branche weit über den Tellerrand der lippischen Heimat hinaus. Und was er sieht, erfüllt ihn mit Sorge, die er jedoch wie stets als Herausforderung nimmt.
Absatz im Einzelhandel stagniert
Der Absatz mit Musikinstrumenten im Einzelhandel stagniert seit Jahren, ist sogar leicht rückläufig. Die Tendenz der Prognose bietet zudem keinen Anlaß zum Optimismus. Sind es die Kunden, welche weniger Instrumente und Equipment, Zubehör und Dienstleistungen abfordern? Nein, die Absatzmenge ist ungebrochen, das Problem scheint woanders zu verorten. Das Gesamtjahresvolumen im Noten- und Instrumentenbereich darf realistisch mit etwa 1,25 Mrd Euro angesetzt werden. Weit über 50% von diesem Umsatz wird von den Riesen im Internet (Thomann, Session, Music Store, u.ä.) vereinahmt. Sie bestimmen dadurch in der Konsequenz die Preisgestaltung, hier setzt sich Marktmacht rücksichtslos durch. Zu den für den Einzelhandel nur schwerlich unterbietbaren Preisen gibt es im weltweiten Netz einen weiteren Anreiz für den Kunden: Rasche Verfügbarkeit des Gewünschten. Der intelligente Einsatz von Logistik, die konsequente Nutzung von Suchmaschinen, des automatisierten Datamining sowie das Handling von Datenbeständen ließen den Marktanteil explodieren, in der Folge die Onlinehändler zu Riesen mutieren. So ist der Internethandel ein Imperium geworden, die Einzelhändler wie auch zunehmend die Produzenten scheinen zu seinen hilflosen Vasallen reduziert.
Die Achillesferse der Großen
Doch hat die Geschichte nicht gelehrt, dass im Zenit schierer Größe bereits der Abschwung begründet ist? Genau dies hat Wolfgang Meyer im Sinn. Ganz in der germansichen Tradition seiner Heimat läßt er sich nicht lähmen von der Übermacht. Wie Arminius, der den Unterschied der Machtverhältnisse durch eine clevere Taktik aushebelte, fand der 48jährige Musikexperte aus Detmold die Achillesferse der Großen. Sie sind anfällig den kleinen, höchst flexiblen Händlern gegenüber und das hat Meyer erkannt und analysiert. In der Kundenberatung waren die Experten vor Ort schon immer den virtuellen Anbietern überlegen, im direkten Ausprobieren ohnehin.
Doch es gibt noch mehr Schwachstellen, denn das Wachstum und die Größe des Angebotes haben ihre deutlichen Schattenseiten. Das Hohelied der schnellen Verfügbarkeit aller Waren verlangt riesige Lager, zusätzlich ist ein hoher Personalaufwand erforderlich, um das Sortiment permanent abrufbar zu halten sowie dem Suchenden online schmackhaft präsentieren zu können. All dies generiert Kosten und immensen Aufwand. Was sich als machtvolle Bedrohung des Einzelhandels erwuchs, erweist sich zunehmend als Bremsklotz der Großen, der Preis für ihre Größe ist in ihrer zunehmenden Unbeweglichkeit erkennbar. Die Gruppe der Einzelhändler sind nicht die Einzigen, denen dieses Ungleichgewicht am Markt zu schaffen macht. Auch die Hersteller von Musikinstrumenten sind angesichts der Abfragequantitäten stetig mehr den Onlineriesen und ihren harten Vorgaben ausgesetzt. Längst sind sie es, die den Produzenten die Preise und Bedingungen diktieren. Da ist eine Menge Unmut angewachsen, ähnlich jenem des Einzelhandels.
Wozu den Umweg über die großen Onlinehändler?
Beide Lager vereint neben ihrer langen gemeinsamen Geschichte nun auch der Zorn über das Gebahren der virtuellen Krämer. Hier lagert Zündstoff. Der Cheruskerfürst verband einst die Stämme miteinander und verhalf ihnen zu einer klugen Strategie gegen die Invasoren. Das Gelände und seine Möglichkeiten kannte die vergleichweise kleine Schar erheblich besser. Und genau hier setzt auch Wolfgang Meyer mit mehreren Hebeln an. Die Kundenbedürfnisse und die neuen Kaufgewohnheiten bedienend, nutzt er geschickt die vorhandenen Möglichkeiten und Vorteile. Er schmiedete zunächst ein neues Bündnis zwischen Einzelhandel und Herstellern/Großhändlern. Die zentrale Fragestellung ist: Wozu den Umweg über die großen Onlinehändler? Was die können, kann die Erneuerung alter Bande auch und sogar erheblich besser. „Drop-Shipping“ ist die Basis für den Coup. Professionelle Beratung durch ausgewiesene Experten im direkten persönlichen Austausch vor Ort sowie direktes Probieren im Ladengeschäft. Online dann die Bestellung, traditionelle Bezahlformen und extrem zeitnahe Lieferung nach Haus direkt vom Hersteller oder Großhändler. Die Infrastuktur dafür steht. Und in allen auftauchenden Fragen steht innerhalb des gesamten Prozesses stets der bekannte Händler und seine Fachverkäufer persönlich unterstützend zur Seite. Den Umweg über anonyme Onlineanbieter braucht niemand, er bietet dem Endkunden in diesem modernen Modell nichts mehr, im Gegenteil. Der Kunde hat nur Vorteile, er bekommt alles und mehr, aber der Umsatz fließt wieder ausschließlich dorthin, wo die Arbeit geleistet, nicht nur verpackt und versendet wird – Zu Herstellern und Händlern. Durch diese sinnvolle Verschlankung des Systems sind steigende Preise für den musikalischen Endkunden nicht zu erwarten. Bessere Erfüllung der Kundenwünsche dagegen allemal! Beratung und Begleitung vor Ort und die Segnungen moderner Lieferwege über das Netz – diese Kombination ist der neueste Stand des Handel.
Und wieder geht der Aufstand von der Region Lippe aus
Als der Computer erfunden wurde, machte schnell das Schlagwort vom „papierlosen Büro“ die Runde. Nach der Marktreife des eBooks wurde auch das Buch abgeschrieben. Beides entpuppte sich bekanntermaßen als eine vorschnelle Chimäre, wie auch die Protagonisten der schönen neuen Welt verbal schon längst zurückrudern. Wolfgang Meyer ist nicht gegen den Onlinehandel, im Gegenteil. Er ist einer, der verbinden will und es tut. Die Vorteile der klassischen Welt mit den Möglichkeiten des Neuen. Sein schlankes und intelligentes System wird sich durchsetzen, weiß der entschlossene Einzelhändler, und die Martkmacht der Großen rasch bröckeln lassen. Das ist er schließlich dem arminischen Erbe seiner Region schuldig. Und sein Beispiel wird Schule machen. Der Handel mit Instrumenten wird nach diesem fulminanten Auftakt nicht die erste und letzte Branche bleiben, die diesen durchdachten Weg beschreitet und Onlineriesen alsbald obsolet sein läßt. Ähnlich fiel das römische Reich, denn viele andere kleine Völker ringsum schöpften wieder Energie, als sie sahen, dass das Imperium doch zu schlagen war. Der Rest ist Geschichte. Die Hybris der Onlinegiganten wird es auch bald sein. Und wieder geht der Aufstand von der Region Lippe aus, die haben halt Erfahrung dort.
Text: mikra/mikrakom.de/
Bild: The Hermannsschlacht, 1864, colored reproduction of a monumental painting by Friedirch Gunkel in the Maximilianeum Munich, destroyed in WWII