Ein Samstagmorgen am Wallgraben in Detmold. Es ist 7 Uhr und die ersten musikbegeisterten Menschen sammeln sich vor der Eingangstür am Haus der Musik, dem „analogen Dreh- und Angelpunkt von Musikalienhandel.de“. Erst in zweieinhalb Stunden öffnet der Laden und die lange Schlange von Menschen wird lang und länger. Ist es in Zeiten von Amazon, Facebook und Google nicht einfach wunderbar, dass es noch Dinge und Produkte gibt, die man nicht mit einem Klick von zu Hause aus ergattern, liken oder finden kann?
Wir fragen uns das immer wieder, denn natürlich sind wir genauso fasziniert, wenn über das Internet zum Beispiel eine Digitalpianobestellung aus Paraguay bei uns eintrifft und die Welt dadurch auf einmal ganz klein, unser Absatzmarkt und Kundenkreis aber unfassbar groß erscheint.
Abgesehen von solchen besonderen Momenten ist es für mich aber eine grundsätzlich spannende Frage, wie „kleine Einzelhändler“ das Phänomen Internet sinnvoll nutzen können und sollten und wie man am besten mit den damit verbundenen Problemen und Chancen umgeht.
Manchmal scheint es mir, als ob der ganze Trubel um die Riesen des Onlinehandels und die ständige sofortige Verfügbarkeit von Waren irgendwie doch eine gewaltig um sich greifende Bequemlichkeit offenbart.
Oftmals lassen sich die Menschen täuschen und einlullen mit minderwertigen Waren, Billigpreisen, scheinbar uneingeschränkten Rückgabe- und Umtauschmöglichkeiten und unechten Kundenbewertungen. Aber ist nicht gerade das „ganz normale“ Geschäft vor Ort zugleich Ursprung von und Garant für Qualität bei Waren, für echten Service, ehrliche Gespräche zwischen Verkäufer und Käufer, gespürtes Vertrauen und auch für Ratschläge und Hilfe in Notlagen? Ist nicht der Onlinehandel nur dann wirklich vertrauenswürdig, wenn man auch die Gesichter dahinter kennt – im besten Fall aus dem persönlichen Gespräch?
Die Menschen in dieser Schlange stehen zweieinhalb Stunden in der Kälte vor der noch verschlossenen Tür unseres Ladens, um eine Karte für ein Konzert zu ergattern. Ein Konzert mit echten Musikern, mit echten Instrumenten und als gemeinsames Erlebnis. Oftmals bilden sich bei uns im Geschäft auch Warteschlangen, wenn Interessenten eine ausführliche Gitarren- oder Saxophonberatung wünschen oder eine Notenausgabe suchen, die sich mit Angaben zu Opus, Tonart und Verzeichnisnummer nirgends auftreiben ließ – nirgends im Internet, aber wir sind in solchen Dingen findiger als digitale Suchmaschinen allein.
Wir haben hier in Detmold bestimmt kein Patentrezept dafür, wie der Einzelhandel in Zukunft funktionieren wird. Aber eins ist gewiss: Der Ursprung des Handels und des Handelns liegt direkt in unseren Händen.
Wir sollten das Internet und die Digitalisierung dazu nutzen, unser Wirken und unser Handeln zu verbessern, sichtbar zu machen und für die Kundinnen und Kunden tatsächlich nutzbar zu machen.
Dann wird es richtig spannend und die Leute rennen einem wahrhaftig die Türen ein.
Der „Cheffe“ alias
Wolfgang Meyer
(Bild © Simon R. Waloschek)
Am 29. November 2018 um 14:48 Uhr
Ich wünsche mir viel mehr so fortschrittlich denkende und agierende Einzelhändler aus Fleisch und Blut und weniger jammernde Verkaufsverhinderer Weiter so