Es ist nun schon einige Wochen her, dass unsere europäische Musikalienhändlerdelegation in Japan war. In einigen Blog-Einträgen habe ich damals direkt von der Reise berichtet. Über ein herausragendes Ereignis bin ich aber an dieser Stelle bisher einen Beitrag schuldig geblieben. Der erscheint heute – in aller Ausführlichkeit. Insbesondere für die Musiklehrer unter den Lesern dieses Blogs dürften die folgenden Zeilen und Videos von Interesse sein, und ich bin gespannt darauf, was Sie dazu zu sagen haben. Vor allem Musiklehrer im Bereich des Gruppenunterrichts werden ihren Ohren nicht trauen …
Ein Teil unserer Reise brachte uns in die nördlich von Tokio gelegene jüngste Millionenstadt Saitama. Dort besuchten wir das Saitama-Sakae-Wind-Orchestra bei einer Probe in der Sakae Junior High School und sahen vielleicht DIE japanische Bläserklasse. In einem Meeting mit dem Orchesterleiter und Musiklehrer wurden uns das Konzept und die Unterrichtsmethoden vorgestellt. Das Wichtigste und Beeindruckendste: Keines der Kinder, die Sie hier sehen und die im Alter von 12 bis 16 Jahren sind, hat von einem Musiklehrer der Schule Einzelunterricht auf seinem Instrument erhalten! Die Schüler bringen sich das Instrument gegenseitig bei, indem die jüngeren von den älteren lernen. Das war uns europäischen Besuchern vorher in der Tat unwahrscheinlich vorgekommen, denn in unseren Gefilden herrscht ja für gewöhnlich die Überzeugung, musikalische Qualität beruhe hauptsächlich auf professionellem Einzelunterricht, und das Gruppenmusizieren wird von vielen eher als schlechte Notwendigkeit betrachtet, um rentabel arbeiten und Geld verdienen zu können.
Bevor Sie die folgenden Videos ansehen, sollten Sie noch ein paar Einzelheiten zu den Schülern erfahren: Einige der Kinder spielen ihr Instrument erst seit etwa einem halben Jahr. Im Durchschnitt musizieren die Schüler in diesem Orchester, das nicht das Haupt-, sondern das Mittelstufenorchester der Schule ist, seit drei Jahren zusammen. Das Üben und Musizieren findet täglich von 15.30 Uhr bis 18.00 Uhr statt, also nach dem Schuluntericht. Die Einblas- und Stimmübungen, die hier gezeigt werden, werden ohne jegliche Hilfe des Lehrers und Orchesterleiters durchgeführt. Die Schüler sind dafür selbst verantwortlich. Nur das Einstimmen der Einzelinstrumente wird zusammen mit dem Lehrer gemacht.
Ein paar Beispiele in Bild und Ton gefällig?
Einspielen der Klarinetten und des gesamten Orchesters:
Grundsätzlich werden die Übungen von allen Schülern auch gesungen:
Einstimmen der Trompetengruppe:
Zum Abschluss bekamen wir dann eine Kostprobe zu hören. Ich war nach dieser Vorführung fasziniert von Perfektion, Konzentration und Leistung. Erwähnt sei an dieser Stelle aber auch, dass unter uns Musikalienhändlern danach eine vehemente Diskussion zum Thema Höchstleistung, Unterordnung und „musikalischem Drill“ auf der einen und Freiheit und individuellem Lernen in unserer Konsum- und Spaßgesellschaft auf der anderen Seite den Tag beherrschte. Ein Teil der Kollegen war fasziniert, der andere schockiert. Ich selbst war schwer beeindruckt aufgrund dessen, dass die Kinder ihr Instrument voneinander lernen, und davon, dass so etwas in dieser Qualität überhaupt möglich ist. Sicherlich liegt das Geheimnis in der Übezeit und Disziplin der japanischen Schüler. Und davon können wir uns vielleicht eine Scheibe abschneiden. Oder was meinen Sie? Ich bin gespannt auf Ihre Kommentare. Vorhang auf und Film ab!
Am 24. Februar 2008 um 09:50 Uhr
Das ist schon beeindruckend. Es fehlt nur ein wenig von dem hier…
http://www.youtube.com/watch?v=4Cuzcz8Tjs0
Dahinter steckt auch viel harte Arbeit und Drill, aber sichtbar auch Begeisterung und Herz.