Vor längerer Zeit erreichte mich mit einer Kunden-E-Mail die Bitte, künftig etwas anders zu machen. Und zwar unsere elektronischen Nachrichten „in Zukunft nach den Regeln der deutschen Rechtschreibung zu verfassen. Ich kann in der Musik auch nicht plötzlich alle Vorzeichen weglassen. Die Sprache ist Ausdruck der Kultur“ …
Ich kann durchaus nachvollziehen, dass es manchmal lästig sein kann, wenn ein Text statt der gewohnten Umlaute mit „ae“, „oe“ und „ue“ aufwartet und die Anfangsbuchstaben klein sind, wo sie nach amtlichen Regeln groß sein sollten, aber bei Musikalienhandel.de hat diese „kleinschreibweise“ in den E-Mails eine lange Tradition. Und sie hat ihren guten Grund, wie sich einem Beitrag aus unseren Anfangszeiten entnehmen lässt, für den ich damals extra nach Uelzen gereist bin. Es war eine Forschungsreise, und das Ergebnis war damals Folgendes:
Langwierige Recherchen haben ergeben, dass Uelzen für mehr steht als für norddeutsche Beschaulichkeit in der Lüneburger Heide. In ihrer introvertierten Wortkargheit jedoch weigern sich die Einwohner einmütig, ihre Urheberschaft für eine der revolutionärsten Erfindungen des vergangenen Jahrhunderts an die große Glocke zu hängen. Hingegen nehmen die Amerikaner für sich in Anspruch, die Erfinder zu sein, und alle Welt folgt ihrem Glauben. Es ist aber evident: Das Internet kommt aus Uelzen. So ist es: Das Internet kommt aus Uelzen.
Die alten Römer wären entzückt
Stellen Sie sich vor, Sie reisen durch die Welt und wollen in einem Internet-Café Kontakt mit der Heimat aufnehmen. Die Tastaturen scheinen im Normalfall kein ä, ö oder ü – übrigens auch weder unser ß noch å und ø der Skandinavier – zu kennen, so dass Sie diese Buchstaben „umschreiben“ müssen.
Gleiches gilt für E-Mail-Adressen, denn auf technischer Ebene gibt es eine Vielzahl von Anbietern, die nicht alle die Umlaute anzeigen können. Und in dem globalen Medium Internet werden bislang nur die 26 Buchstaben des lateinischen Alphabets verwendet, die allerorts bekannt sind (wenn man zu den Lettern der Römer noch J, U und W hinzuzählt).
Welche Genugtuung für die alten Römer: Wenn schon kaum noch einer ihre Sprache spricht, hat sich doch immerhin ihre Schrift auf dem ganzen Globus durchgesetzt. Erst langsam werden einzelne Versuche unternommen, dies zu ändern (z.b. köln.de und Düsseldorf.de werden gleich automatisch von den Maschinen in koeln.de und duesseldorf.de umgewandelt), aber noch ist man weit davon entfernt, dies wirklich weltweit umzusetzen.
Stellen Sie sich vor, Sie hießen, sagen wir mal: Jörg Müßiggang. Sie stünden ganz schön im Regen, würden Sie versuchen, eine E-Mail-Adresse mit der deutschen Schreibweise Ihres Namens zu registrieren. Würden Sie deshalb partout auf die Nutzung des Internets verzichten wollen?
Mancher zetert vehement
Nicht jeder hält es aber heute mit den alten Lateinern. Manch einer formuliert sogar heftige Entrüstung, wie sich mir vor allem in mancher Antwort auf unsere E-Mails zeigt. Dort wird bisweilen der Vorwurf laut, wir würden uns bei Musikalienhandel.de „falscher Reduktionen“ und „modischer Simplifizierungen“ bedienen und die in der deutschen Schriftsprache geltende Groß- bzw. Kleinschreibung missachten. Es wurde uns sogar vorgeworfen, diese Orthographie unterstelle mangelhafte Bildung unserer Kunden.
Den Vorwurf, wir würden diese Schreibweise verwenden, weil wir unsere Kunden für ungebildet hielten, muss ich weit von mir weisen. Ich denke nämlich, dass die strikte Einhaltung einer deutschen Schreibtradition nicht unbedingt etwas mit Bildung zu tun haben muss. Für mich ist das Internet in erster Linie ein globales Medium zur Kommunikation und zum Informationsaustausch, und für den Austausch von Daten hat die Großschreibung einzelner Buchstaben auf technischer Ebene keine weitere Bedeutung. Stattdessen möchten wir bei Musikalienhandel.de mit unserer E-Mail-Kommunikation eher den Blick für das internationale Informationszeitalter öffnen. Meiner Meinung nach wäre es äußerst ärgerlich, wenn manche Kunden aufgrund anderer Betriebssysteme hieroglyphenartige Mitteilungen – jörg_mÃ_Ãÿiggang@köln.de (Jörg–Müßiggang@köln.de) erhalten würden, nur weil wir in der E-Mail deutsche Umlaute verwendeten.
Schließlich gibt es eine weniger pragmatische Erklärung dafür, dass wir mit unseren E-Mails auf diese Weise verfahren: Da es aus technischen Gründen keinen Briefkopf gibt, sehen wir hierin einen gewissen Wiedererkennungswert. Bei Musikalienhandel.de gehört es also zur Corporate Identity, bei der E-Mail-Kommunikation auf Umlaute und Großschreibung einzelner Buchstaben zu verzichten.
Vielleicht aber sind wir auch einfach unserer Zeit nur ein wenig voraus – um wieder zu Uelzen zurückzukommen. Diese Stadt, deren Anfänge auf die Zeit um 1200 n.Chr. datiert werden, schrieb sich immer schon wie heute. Das kann doch wohl nur daran liegen, dass schon die Gründerväter im Sinn hatten, dass dies später, viel später einmal von Nutzen sein könnte. Wir werden auf jeden Fall bei unseren E Mails bei dieser Schreibweise bleiben, auch wenn man vielleicht irgendwann einmal unter www.ülzen.de eine Auskunft bekäme.
Der „Cheffe“ alias Wolfgang Meyer
ist der Gründer und Geschäftsführer vom
HAUS DER MUSIK.
In diesem Weblog äußert er sich leicht ironisch
zu aktuellen Themen im Musikbusiness.
Direkt zu erreichen ist der „Cheffe“ unter cheffe@
musikalienhandel.de